«Wider das kulturelle Vergessen»
In den vergangenen Konzerten dieser im Jahre 2020 ins Leben gerufenen Konzertreihe hat sich in der klassischen Musik eine überraschend tiefe Resonanz für Texte indigener Völker gezeigt – insbesondere von Ureinwohner*innen Nordamerikas. Wie sehr diese Texte, deren Sensibilität, Komplexität, Weisheit und Schönheit sogar noch in der Übersetzung erfahrbar sind, in den Werken der klassischen Musik wieder klingen, überraschte uns.
Es war uns stets ein grosses Anliegen, in diesen Konzerten nicht nur an die drohende oder bereits ge-schehene Vernichtung indigener Gemeinschaften zu mahnen und mit dem Erlös der Benefizkonzerte den Kampf gegen diese Bedrohung zu unterstützen, sondern ihrem Denken Raum zu geben. Die vom Schau-spieler Richard Henschel vorgetragenen Texte eröffneten dem Publikum Räume, in welchen ihr Gedan-kengut musikalisch beantwortet und übertragen wurden. Aktuell sind mit dem Überfall auf die Ukraine durch Russland nicht nur Land und Leben, sondern auch das Kulturerbe dieses Nachbarlands massiv be-droht. Aus diesem Grunde liest Richard Henschel Gedichte ukrainischer Dichterinnen und erklingt im drit-ten Konzert auch Musik von ukrainischen Komponisten und Komponistinnen.
In diesem Jahr wird der Solotanz von Karin Minger einen weiteren Resonanzraum zum Wort öffnen. In Anlehnung an ihr viel beachtetes Projekt EndLich! kreieren wir eine auf den Raum der Kirche St. Josef zugeschnittene Performance mit Tanz, Wort und Musik.
Auch die Überwindung herkömmlicher Grenzen ist ein Zeichen lebendiger Kultur. Aleksandra Guthmann wird dies u.a. mit der berühmten Sequenza von Luciano Berio tun, einem Werk, das die höchsten techni-schen und gestalterischen Ansprüche an eine Sängerin stellt. Fast zeitgleich haben Sofia Gubaidulina und György Kurtag mit ihrem künstlerischen Schaffen Musik geschaffen, die unmittelbar berühren.
Schliesslich ist es uns ein Anliegen, neue Werke uraufzuführen – auch dies ein Zeichen lebendiger Kultur.
Gabrielle Brunner